…und alles Gute für 2016!

 

Liebe Grete,

schon wieder ist Weihnachten herangekommen, und es wird Zeit, dass ich dir erzähle, was ich in diesem Jahr alles erlebt habe.

Noch im Winter hat Angela eine Hundepfeife gekauft und mir beigebracht, dass ich – wo auch immer ich bin – zu ihr kommen soll, wenn sie pfeift. Das habe ich schnell verstanden – denn ich bin ein kluger Hund. Wenn ich auf Pfiff schnellstens angelaufen kam, habe ich ein kleines Hundewürstchen bekommen. Doch irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf dieses Spiel, ich habe ja schließlich auch noch eigene Interessen. Und Herrchen sagt immer: „Wir wollen keinen dressierten Affen haben!“ Auf Herrchen höre ich auch, meistens jedenfalls.

Im Frühjahr sind in dem Holzhaus gegenüber von unserem Grundstück endlich die neuen Eigentümer eingezogen Zu meiner großen Freude war auch eine schwarze Settermischlingshündin dabei, die auf den Namen „Emma“ hört und etwas größer als ich ist. Durch die Stäbe unserer Zugangstür schlossen wir sofort Freundschaft, als sich ihre Leute bei uns vorstellten. In den darauffolgenden Tagen sah meine Familie mich nur selten im Haus. Immer wieder lag ich auf der niedrigen Mauer zwischen den beiden Rasenstücken unseres Gartens, schaute unentwegt auf die Eingangstür des Nachbarhauses und wartete, bis Emma wieder einmal herauskam. Dann begrüßten wir uns freudig und gaben uns durch den Zaun Küsschen. Leider brachten die neuen Nachbarn auch eine braun-getigerte Katze mit, die ich, wie auch alle anderen Katzen, gar nicht leiden kann. Wenn sie sich einmal in unseren Garten wagt, jage ich in großen Sprüngen hinter ihr her. Angela mag es gar nicht, wenn ich Katzen hetze, sie sagt dann immer: „Sie haben scharfe Krallen. Denk an deine schönen braunen Augen.“

Mit Clinton, dem weißen Jack-Russel-Terrier, der im letzten Jahr in das Haus unterhalb unseres Grundstücks eingezogen war, verstehe ich mich nun gar nicht mehr. Früher konnte er es gar nicht abwarten, mich zu treffen, und ich freute mich auch immer, ihn zu sehen – wir stürmten häufig zusammen am Gartenzaun entlang. Doch nun ist er erwachsen und alles anders: er knurrt jetzt schon von Weitem, wenn er mich sieht, und das lasse ich mir natürlich nicht gefallen und antworte in der gleichen Weise.

In diesem Jahr ist in unserem Garten auch eine Wühlmausfamilie ansässig geworden, die meine Spielwiese vollständig unterhöhlt hat, und sich die Wurzeln unseres Kirschbaums schmecken ließ. Die großen Löcher, die sich plötzlich an vielen Stellen unseres Gartens auftaten, fand ich sehr interessant – kräftig schnüffelnd steckte ich meine Schnauze tief hinein und grub viele der Öffnungen weiter auf, dass die Erde nur so unter meinen Pfoten in alle Richtungen davonstob. Frauchen bemüht sich immer wieder (vergeblich), die kahlen Stellen auf meiner Spielwiese neu einzusäen, aber Löcher zu graben ist nun einmal eine Lieblingsbeschäftigung von mir! Meistens lässt sie mich auch gewähren. Die Wühlmäuse jedenfalls scheinen unseren Garten verlassen zu haben. Und wenn sich doch noch einmal ein größeres Loch irgendwo findet, legt Angela nach dem nächsten Kämmen einige Büschel von meinem Stockhaar hinein – damit sie gleich riechen, was für ein gefährlicher Hund hier wohnt. Überhaupt war dies ein gutes Mäusejahr. Auf unseren Spaziergängen konnte ich öfter einmal einen leckeren kleinen Nager erbeuten. Ich muss ihn dann aber schnell auffressen, weil Angela jedes Mal versucht, ihn mir abzujagen, dabei mag sie Mäuse gar nicht! Von Frauchen bekomme ich als „Belohnung“ immer ein Stück Wurst, wenn ich eine Maus, einen toten Vogel oder sonstigen Unrat mit nach Hause bringe – wenn ich das betreffende Stück nachher suche, ist es meistens verschwunden …

Der Sommer war dieses Jahr ziemlich anstrengend, denn unser Dach musste neu gedeckt werden. Zehn Wochen lang brachte mich das Klopfen von zwei Dachdeckern um den Mittagsschlaf, den ich gewöhnlich halte, wenn auch Herrchen und Frauchen sich ein wenig ausruhen. Doch waren die Dachdecker freundliche Leute und sprachen mit mir oder streichelten mich, wenn sie mich sahen. Und jetzt brauche ich keine Angst mehr zu haben, dass es in meinen Korb regnen könnte.

Zur Erholung unternahmen wir anschließend alle zusammen eine Reise an die Ostsee. Es war mein erster großer Urlaub. Schon vorher hatte meine Familie auf kleineren Strecken mit mir Zug fahren geübt. Es klappte auf Anhieb: Ich sprang sofort hinter Herrchen her in den Waggon und legte mich brav in den Gang neben den Sitzplätzen meiner Familie. So absolvierte ich auch die lange Fahrt nach Usedom ohne Probleme. Ich merkte schnell, dass man aus dem Fenster schauen kann und unterwegs viele aufgeschlossene Leute trifft. Die meisten Passagiere lächelten, wenn sie mich sahen, ich bin halt eben ein niedlicher Hund, besonders wenn ich mit großen runden Augen aufblicke. So versuchten sie auch ihre Koffer irgendwie an mir vorbeizuheben, wenn ich wieder einmal zu weit im Gang lag – denn ich bin ebenso neugierig wie niedlich. Auch die Schaffner waren sehr nett zu mir und sahen darüber hinweg, dass ich keinen Maulkorb trug, ich mag es nämlich nicht, wenn meine Schnauze so eingezwängt ist. Einige Reisende blieben auch stehen und knuddelten mich, worauf ich mit heftigem Schwanzwedeln reagierte, andere fütterten mich mit ihrem Proviant, ich bin nämlich ein freundlicher Hund. Auf der Rückfahrt machte eine Reisende sogar ein Foto von mir und verschickte es an ihre Freundin. Ich genoss es in vollen Zügen so im Mittelpunkt zu stehen! Nur wenn einer aus meinem Rudel zur Toilette ging, wurde ich unwirsch, ich fing sofort heftig an zu fiepen und zerrte ganz wild an der Leine. Ich war erst beruhigt, als derjenige wieder auf seinem Platz zurück war. In Usedom bewohnten wir eine Ferienwohnung in einer alten Gründerzeitvilla. Sie besaß einen Wintergarten zum Strand, in welchem ich immer wieder mit den Vorderpfoten auf die Fensterbank stieg, um das Leben auf der Promenade zu beobachten. Dort wurde ich auch ausgeführt. Nachts schlief ich in Angelas Zimmer. Meine Krallen verursachten auf dem Dielenboden ein Tippeln, sodass man mich immer kommen hören konnte. Nachdem wir einige Tage dort waren, begann ich auch den Garten des Hauses gegen andere Hunde, von denen es in Ahlbeck unzählige gab, zu verteidigen. Dabei fällte ich einmal, als ich – noch angebunden – schnell knurrend zum Zaun musste, einen bereits dürren Ginsterbusch – denn so klein wie ich bin, habe ich doch eine Menge Kraft.

Über das ganze Jahr verteilt, machten wir sonntags hin und wieder alle zusammen kurze Ausflüge mit dem Auto. Mittlerweile kann ich es kaum erwarten einzusteigen, das Autofahren macht mir großen Spaß. Denn Herrchen fährt nicht schnell, wenn ich dabei bin, und so wird mir auch nicht mehr übel. Außerdem halten wir unterwegs immer an, um irgendwo, wo ich noch nie war und viel Neues entdecken kann, einen Spaziergang zu machen. Ich würde mich auch sehr freuen, wenn du uns bei Gelegenheit noch einmal zwei Sennenhunde-Aufkleber für unsere Autos schicken könntest – damit jeder weiß, dass ich an Bord bin und warum wir nicht so schnell wie andere fahren.

So nun muss ich meinen Bericht beenden, denn es gibt gleich Mittagessen und für mich wurden zu Weihnachten extra Rinderknochen gekauft, die ich auch roh fressen darf – mmmh! Nun wünsche ich euch allen in den Gänsewiesen noch frohe Weihnachtsfeiertage sowie einen guten Rutsch in ein gesundes, erfolgreiches und glückliches neues Jahr!

 

Viele Grüße

von deinem Edward.

P1050698