Frühling ….

Liebe Grete,

jetzt wird es Frühling! Als ich letzte Woche mit Frauchen und Angela zu unserem allabendlichen Spaziergang aufbrach, hörten wir das Geschrei von Kranichen und als wir in den dämmernden Himmel blickten, sahen wir einen großen keilförmigen Vogelzug über unser Dorf hinweg in Richtung Norden fliegen, nach Skandinavien um zu brüten.  Die Vögel waren früher als in den Jahren zuvor, normalerweise passierten sie unsere Gegend frühestens Mitte März. Doch wir wussten jetzt ist der Bann des Winters endlich gebrochen!

Noch im Februar hatte es bei uns kräftig geschneit, ich mag dieses Wetter gerne, weil es mich an meine Heimat erinnert, und tollte zum Leidwesen von Angela an der Leine umher durch den hohen Schnee. Sie freute sich, dass ich so munter war, und sagte: „was soll man machen, das sind deine Gene.“

Mit dem sich aufschwingenden Biorhythmus bin ich jetzt auch wieder dünner geworden. Herrchen kauft mir, wenn er in die nahegelegene Stadt fährt, ein über das andere Mal Schweineschwänzchen. Sie bekomme ich morgens gleich nach dem Aufstehen. Nachdem ich kurz im Garten nach dem Rechten gesehen habe, bekomme ich von Angela einen Napf voll frischem Leitungswasser, das sie selbst auch am liebsten trinkt, und die erste Tageshälfte meines Diätfutters. Von Herrchen bekomme ich auch vom Mittagessen immer leckere Happen. Überhaupt himmele ich ihn am meisten an. Angela sagt immer: „Herrchen und Hund, sie sind ein Dream-Team.“ Natürlich mag ich Frauchen und Angela auch gerne und begrüße beide jeden Morgen stürmisch – ich habe nie gelernt, dass man Menschen nicht anspringen darf – aber nur, um gleich wieder zu Herrchen zu laufen.

Morgens nach dem Anziehen und Frühstücken gehen Angela und Frauchen eine erste kurze Runde mit mir, damit ich mein Geschäft erledigen kann. Danach schlafe ich noch einmal eine Weile und beobachte mein Umfeld von dem großen Fenster in Herrchens Zimmer aus. Wenn ich Menschen oder Hunde entdecke, melde ich es sofort.

Im Februar und März wurde Angelas Bad renoviert. Das brachte auch für mich etwas Abwechslung, ich folgte jedem Handwerker bis in den oberen Stock, insbesondere die Fliesenleger, aber auch die Installateure, wurden von mir freudig begrüßt. Angela sagt: „Du bist ein Sonnenschein!“ Und das stimmt auch. Manchmal laufe ich auch fröhlich zu den Besucher oder Bewohner des Altenheims, das in unserem Viertel neu errichtet wurde und lasse mich von ihnen ausgiebig streicheln, ich glaube, dass das nicht nur mir, sondern auch ihnen gut tut.

Jetzt im Frühling riecht es auch immer so gut nach irgendwelchen interessanten Hündinnen. Manchmal sind sie neu im Dorf und ich quengele, um in den Garten gelassen zu werden, damit ich sie besser sehen kann. Oft heule ich dann dort vor Liebeskummer. Obwohl ich jetzt schon sieben Jahre alt bin, hat mein Fell noch einen schönen schwarzen Glanz, nur die Zahl der Apfelschimmelpunkte auf meiner Schnauze nimmt zu. Angela findet das niedlich und sagt immer wieder: „Du bist ein schöner Hund!“ Und was Hündinnen anbelangt, bin ich auch noch nicht ruhiger geworden.

Auch auf den Spaziergängen habe ich momentan viel zu schnuppern, und wir kommen oft kaum vorwärts, da ich immer meiner Nase folge, auch wenn es manchmal durch Gestrüpp geht, lässt mir Angela meinen Willen.

Am späteren Nachmittag oder frühen Abend gehen Angela und Frauchen meistens noch einmal eine knappe Stunde mit mir, an Feldern, Wiesen und Wäldern entlang, egal ob die Sonne scheint, ob dicke Wolken aufgezogen sind oder ob es regnet. Mit unmissverständlichem Blick aus meinen großen dunkelbraunen Augen über meinem schönen breiten Kopf fordere ich sie dazu auf. Ich weiß nämlich genau, wann es Zeit dafür ist. Ich glaube, dass Angela diese Touren genauso nötig braucht wie ich.

Nach dem langen Spaziergang ruhe ich meistens auf der Seite liegend im Flur aus. Denn nicht nur das Gehen, sondern auch das eingehende Schnuppern ermüdet mich. Abends, nachdem die Familie gegessen hat, bekomme ich die zweite Tageshälfte meines Diätfutters mit drei gestrichenen Löffeln Rinti. Danach möchte ich oft noch einmal in den Garten. Dann laufe ich zu Angela, die in Herrchens Arbeitszimmer sitzt, Gedichte schreibt, durch Facebook surft oder melancholische russische Walzer hört. Die Melodien kenne ich schon alle auswendig. Meistens lege ich mich dann auf den Steinboden oder ihren Fuß, um erneut tief zu schlafen. Wenn es mir zu warm wird, wechsele ich in den Flur. Manchmal bleibe ich auch im Esszimmer, wo Herrchen und Frauchen den Abend verbringen und fernsehen. Meistens liege ich dort auf meiner Decke oder Frauchens Füßen. Nur selten schaue ich interessiert zum Fernseher. Wenn dort große Tiere vorüberlaufen, werde ich ärgerlich, belle und schaue im Flur nach, ob sie dort noch zu finden sind, meistens bleibt das ohne Erfolg.

Soweit mein erster Bericht des neuen Jahres, ich wünsche euch allen in den Gänsewiesen einen schönen Frühling! Genauso wie Herrchen meine ich, dass dies die schönste Zeit im Jahr ist.

Viele Grüße

von deinem Edward

mein Porträt – Edward