Worte zum Nachdenken

Tierärztliche Praxis Dr. Klaus Sommer, Tierarzt München

N O M V ! Not one more Vet!

Aktuell trauert die Tierärztegemeinschaft um eine Kollegin, die sich plötzlich und unerwartet das Leben genommen hat. Sie hinterlässt Familie und Praxis.

Ich kannte sie nicht – trotzdem bestürzt mich das sehr.

Wussten Sie eigentlich, dass Tierärzte diejenige Berufsgruppe sind, die die höchste Suizidrate hat? Nein – ich bis vor Kurzem auch nicht! Je nach Quelle liegt sie um das DOPPELTE bis das 6-FACHE über der Normalbevölkerung.

Einerseits mag es daran liegen, dass wir Zugang zu den benötigten Medikamenten und Techniken haben. Andererseits ist die Belastung in unserem Beruf sehr hoch und emotional anstrengend bis auslaugend.

Kaum einer – insbesondere die Praxisinhaber – geht mit einer 40-Stunden Woche nach Hause. Der Durchschnitt liegt eher bei 60+ Stunden. Wirklich freie Wochenenden gibt es kaum.

Dazu kommt die Verantwortung für das eigene Handeln – wir behandeln Lebewesen -, für den eigenen Betrieb und die Mitarbeiter, die einem am Herzen liegen.

Nicht jeder Kunde hat seine emotionale Anspannung in der Sorge um sein Tier im Griff. Daher müssen wir einerseits die Professionalität bewahren und unseren Kunden Hilfestellung in der jeweiligen Situation leisten. Oft genug müssen wir aber auch bei unseren Mitarbeitern Schaden beseitigen und Hilfestellung leisten, wenn ein emotionaler Hurricane unkontrolliert über sie hinweggefegt ist und eine Spur der Verwüstung hinterlassen hat. So ein Hurricane macht weder vor Ärzten und schon gar nicht vor TFA´s halt.

Ich kenne keinen einzigen Tierarzt, dem seine Arbeit „egal“ist, der nicht bei jedem Patienten die Sorge in sich trägt, etwas zu übersehen.

Jeder Tierarzt, den ich kenne, möchte mit seiner Arbeit in aller erster Linie dem ihm anvertrauten Geschöpf schnellstmöglich helfen und es besser heute als morgen gesund und fröhlich in seine Familie entlassen.

Doch Sie und wir wissen, das ist nicht immer der Fall. Heilung dauert manchmal länger, manchmal gibt es Rückschläge und oft genug auch Scheitern.

Tiere sterben – obwohl wir gekämpft haben und unser Bestes gegeben haben. Manchmal kennen wir den Grund und manchmal kennen wir ihn nicht.

Dennoch müssen wir Tierärzte auch in diesen Situationen tapfer sein und dem Besitzer die schlechte Nachricht vom Tod des geliebten Tieres und Familienmitgliedes bringen.

Oder den Tod des Tieres selbst herbeiführen. Ein Kollege sagte: „Je älter ich werde, desto schwerer fällt es (das Einschläfern) mir. Ich glaube das Maß der toten Tiere in meinem Leben ist voll!“

Natürlich verstehen wir auch hier den emotionalen Ausbruch des Besitzers und begleiten in den ersten Schritten der Trauer. Oft genug müssen Tierärzte in solchen Situationen aber auch blanke Wut, unmenschliche Beschimpfungen und Bedrohungen aushalten.

Der Druck war schon immer hoch im System Tierarztpraxis.

Er wird von Jahr zu Jahr höher. Die Erwartung einer immer schnelleren Heilung, zu immer niedrigeren Kosten, nach ständiger Erreichbarkeit tut ein Weiteres hinzu.

Das ganze System wird zum Sieden gebracht, indem immer schneller in sozialen Medien und Bewertungsportalen einem empfunden, nicht einem immer tatsächlichen, Missstand Aus- und damit Nachdruck verliehen wird.

Vorwürfe wie „es ginge nur ums Geld“ etc. sind nie hilfreich.

Natürlich hat der Beruf sogar in der großen Überzahl wahnsinnig erfüllende und bereichernde Momente. Wir knuddeln den ganzen Tag Tiere und lernen viele unterschiedliche Menschen kennen. Wir bekämpfen meist erfolgreich Krankheit und besiegen auch manchmal den Tod. Der Beruf ist aufregend, nie langweilig und extrem abwechslungsreich. Ich persönlich würdejederzeit wieder Tierarzt werden.

Aber es ist wie mit Online Bewertungen: Eine schlechte Bewertung / Begegnung bleibt viel mehr hängen, als die vielen guten eines ganzen Tages – und raubt einem die Nacht und manchmal auch den folgenden Tag – auch mir!

Nicht alle Kolleginnen und Kollegen können den jahrelangen Druck kompensieren, geschweige denn aushalten.

Dann wird es für manche Kolleginnen und Kollegen irgendwann zuviel.

Deswegen – Not one more Vet !

Denken Sie darüber nach! Es gibt auch einen Beitrag den SIE, die Tierhalter, leisten können

Das Bild ist (c) Sophie Strodtbeck -Vielen lieben Dank.

Mir hat daran besonders gefallen, dass man trotzdem das Licht sieht, auch wenn alles dunkel scheint.

Wo Schatten ist – muss auch Licht sein!